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Du fragst dich, was „Un techo para mi país“ eigentlich heißt? Es bedeutet wörtlich übersetzt „Ein Dach für mein Land“ – und genau darum kümmert sich diese Hilfsorganisation. Sie sorgt dafür, dass arme Menschen ein Dach über dem Kopf haben und ihre Familien im Trockenen leben können.
Bevor ich 2011 nach Costa Rica ausgewandert bin, kannte ich diese Hilfsorganisation überhaupt nicht, doch bereits vor meiner damaligen Abreise aus Deutschland teilte mein zukünftiger Arbeitgeber mir mit, dass sie diese Organisation unterstützen. Bereits eine Woche nach meiner Ankunft im Land war das erste Hilfswochenende geplant. Hilfsprojekt Costa Rica: dies sollte meine erste emotionale Erfahrung bei der Unterstützung einer Hilfsorganisation werden.
Wo ist „Un techo para mi país“ tätig?
„Un techo para mi país“ kümmert sich um die ärmeren Menschen in verschiedenen Ländern Mittel- und Südamerikas, aber auch der Karibik. „Techo“ ist das spanische Wort für „Dach“, und an diesem mangelt es vielen Menschen in ärmeren Ländern oft. Sie leben in Wellblech-Verschlägen oder sogar auf der offenen Straße und müssen dort ihre Familien versorgen und ihre Kinder großziehen. Besonders bekannt sind die sog. Favelas in Brasilien oder Venezuela. Tausende von Wellblechhütten reihen sich nebeneinander und bilden ein schier endloses Labyrinth von Wegen und engen Gassen, die teilweise sehr gefährlich sein können.
Du denkst, dass gibt es nicht auch in Costa Rica? Weit gefehlt. Leider findest du auch hier eher unschönere Ecken, die auf den ersten Blick nicht zu sehen sind. Diese können sich auf dem Land oder aber auch nahe der Hauptstadt San José befinden. Doch ganz im Gegenteil zu vielen anderen Ländern, liegen die „Favelas“ hier nicht auf den Berghängen, sondern in eher abschüssigeren Lagen, sodass du wissen musst, wo sie sind um sie zu sehen. Und alleine solltest du dich dorthin auch nie aufmachen.
Die Hilfsorganisation „Un techo para mi país“ kümmert sich um genau diese Regionen. Durch Hinweise werden sie über Familien informiert, die mit Kindern unter besonders schweren Bedingungen leben müssen. Da es davon sehr viele gibt, muss auch ein Hilfsprojekt wie „Techo“ prüfen, wem als erstes geholfen werden muss bzw. kann. Ich weiß, das klingt traurig, aber das ist die harte Realität. Du kannst nicht jedem gleichzeitig helfen.
Hilfsprojekt Costa Rica – was genau macht „Techo“ eigentlich?
„Techo“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Menschen sprichwörtlich ein Dach über dem Kopf zu schaffen. Dazu haben sie eine Art Fertighaus aus Holz entwickelt, welches sich innerhalb eines Wochenendes aufbauen lässt. Das klingt nach nichts Besonderem, doch wenn du vorher auf dem matschigen Boden schlafen musstest, und bei Regen quasi dein Bett geflutet wurde, dann freust du dich über ein trockenes Holzhaus.
Die Häuser stehen auf Stelzen, haben Fenster mit Holztüren und ein großes Wellblechdach. Somit sind die Familien vor jeglichem Wetter geschützt. Besonders warm müssen die Hütten ja nicht sein, da das Wetter in Costa Rica fast überall und das ganze Jahr über warm ist.
Meine erste Erfahrung mit einer Hilfsorganisation
Ich begann meinen Job in Costa Rica Anfang April 2011 und Mitte April stand bereits der erste Hausbau mit „Un Techo para mi país“ an. Mein damaliger Arbeitgeber „Aventuras Tierra Verde“ spendete damals pro gebuchter Reise einen kleinen Betrag an die Organisation, sodass ca. ein Mal im Jahr ein solches Haus für eine bedürftige Familie gebaut werden konnte. Und kurz nach meiner Ankunft in Costa Rica war es dann schon soweit. Das erste Hilfsprojekt Costa Rica startete, und zwar bei einer Familie nahe Orotina.
Orotina liegt westlich von San José, auf dem Weg nach Manuel Antonio. Wir fuhren ca. 2 Stunden. Samstag Morgen trafen wir uns alle in unserem Büro in Ciudad Colón. Von dort fuhren wir mit zwei Kleinbussen los. Die Kleinbusse wurden uns von einem unserer Wagenanbieter zur Verfügung gestellt. Kurz vor unserem Ziel bogen wir auf eine kleine Schotterpiste ab. Dort kamen unsere Busse zum Stehen und wir stiegen aus. Es ging zu Fuß weiter. Nach wenigen Minuten erreichten wir das Haus der Familie, der wir an diesem Wochenende endlich das lang ersehnte Dach über dem Kopf bauen würden.
Zwei Mitarbeiter von „Un techo para mi país“ waren bereits vor Ort. Alle begrüßten sich und auch ich lernte die Familie kennen. Ehrlich gesagt war ich ein wenig geschockt, denn die Familie bestand aus einem ziemlich alten Mann, einer sehr jungen Frau und sieben Kindern. Ich tat mich schwer zu verstehen, wie eine solche Konstellation zustande kommen kann. Allerdings wusste ich, dass „Techo“ die Familien und ihre Umstände sorgfältig begutachteten und dafür sorgten, dass sie keine Zwangsumstände unterstützten. So konnte ich mich langsam an die Situation gewöhnen. Leider fiel es mir mit meinem damals noch sehr gebrochenen Spanisch schwer, mich überhaupt mit irgendwem zu unterhalten. Also lies ich den Moment einfach auf mich wirken und sog alles auf.
Die Familie in Orotina und ihr hartes Leben
Nach gerade mal knapp zwei Wochen in meinem neuen Abenteuer war das alles ganz schön viel. Es war sehr emotional diese Familie und ihr Grundstück zu sehen. Doch das Kennenlernen sollte nicht mein letzter emotionaler Moment auf meinem Hilfsprojekt Costa Rica sein.
Sie lebten sehr ländlich und sprichwörtlich im Matsch. Es gab keinen asphaltierten Boden, kein fließend Wasser und auch sonst keinerlei Annehmlichkeiten. Den einzigen Luxus, den sie besaßen, war ein alter Kühlschrank, der ihr Essen bei den heißen Temperaturen frisch hielt.
Sowohl Supermärkte als auch der nächste Fluss waren nicht gerade um die Ecke und alles an ihrem Alltag schien irgendwie anstregend zu sein. Es hat mich enorm geerdet und berührt, dass Menschen in einem Land wie Costa Rica noch so leben müssen, dass überhaupt jemand so leben muss. Heute, nach vielen weiteren Reisen, weiß ich, dass dies durchaus vielerorts der Fall ist. Doch damals war es die erste Begegnung dieser Art, die mich schockierte. Doch umso mehr wollte ich das Hilfsprojekt Costa Rica unterstützen und an diesem Wochenende alles geben, um meinen Beitrag leisten zu können. Ich mein, die arme Frau zog 7 Kinder auf, und das unter den ärmlichsten Bedingungen. Da musste unbedingt Unterstützung her.
Hilfsprojekt Costa Rica: der Start in ein neues Leben
Nachdem wir uns alle begrüßt hatten, erklärten die Mitarbeiter von „Techo“ uns das weitere Vorgehen und den Verlauf des Wochenendes. Außerdem teilten sie uns mit, dass die Familie die Vorarbeit bereits geleistet hatte. Das war der Standard bei „Techo“, denn es sollten nicht nur Außenstehende helfen. Die Familien selbst sollten auch ihren Beitrag leisten und vor allem vom Hausbau lernen, sodass sie es in Zukunft auch selbst durchführen könnten.
Die Familie hatte das Gelände also bereits großzügig aufgeräumt und die Grundfläche für das Haus von alten Verschlägen und Palmen befreit. So hatten wir Platz zum Arbeiten. Außerdem hatte die Familie zahlreiche Eimer Kies aus dem Flussbett herbei getragen. Dieses würden uns später als Fundament für die hölzernen Stelzen des Hauses dienen.
Wie baut man eigentlich ein Haus auf Stelzen?
Begonnen haben wir die Arbeit mit den groben Erläuterungen der „Techo“-Mitarbeiter. Sie erklärten uns, welche Werkzeuge wir hatten, und wie wir das Haus mit den einfachsten Mitteln bauen würden. Und los ging’s.
Wir starteten zunächst mit dem Aushöhlen zahlreicher tiefer Löcher. Garnicht so einfach bei 30°C und betonhartem Lehmboden. Die Löcher wurden anschließend mit dem Kies aus dem Flussbett gefüllt und darin dann die Stelzen des Hauses befestigt. Immer wieder abwechselnd füllten wir Lehm und Kies in das Loch bis die Stelzen alleine stehen konnten. Doch wie bekommst du alle Stelzen gleich hoch? Das war eine wirklich spannende Aufgabe, denn anstatt mit modernen Geräten zu arbeiten, behalfen wir uns auch hier einfachster Mittel.
„Techo“ baut die Häuser so, dass die Einheimischen sie theoretisch mit den vorhandenen Mitteln selbst bauen könnten. Also stellten wir das Gleichgewicht zwischen den Stelzen mithilfe eines durchsichtigen Schlauches her. Der Schlauch wurde mit ausreichen Wasser gefüllt. Anschließend hielten wir das eine Ende des Schlauches genau an die oberste Kante einer Stelze, das andere Ende an die daneben stehende Stelze. Erst, wenn das Wasserlevel an beiden Enden auf Höhe des Stelzenendes angekommen war, wussten wir, dass die Stelzen gleich hoch sind. Ich kann dir sagen, dass das manchmal ganz schön lange gedauert hat.
Als die Stelzen dann endlich alle im Boden waren – ich meine, es waren 12 – konnte der nächste Schritt beginnen. Doch zuvor baten uns die „Techo“-Mitarbeiter noch uns um die letzte Grube zu versammeln. Sie erklärten, dass es sich zu einem Brauch entwickelt hatte, dass jeder einen Zettel mit einer Botschaft für die jeweilige Familie zum letzten Pfeiler in die Erde legt. Und das taten wir. Auch ich schrieb eine persönliche Nachricht mit meinem gebrochene Spanisch auf den Zettel und wünschte der Familie alles Glück der Welt. Wir alle lasen die Briefe vor und legten sie anschließend in die Grube. Eine schöne Idee, die den gläubigen Costa-Ricanern viel bedeutete.
Nun ging es weiter mit dem nächsten Arbeitsschritt. Wir legten die großen Bodenplatten auf die Stelzen. Dann krochen einige von uns in den engen Raum zwischen Bodenplatte und Boden. Von unten hämmerten wir die langen Nägel in das Holz, begleitet von nervigen Krabbeltierchen auf dem Boden.
Anschließend wurden die Seitenwände aufgestellt. Sie waren bereits in einem Stück geliefert worden, sodass wir sie mit vereinten Kräften aufrichten und ebenfalls befestigten konnten. An zwei Seiten waren Löcher in der Seitenwand, denn hier sollten später die hölzernen Fensterläden befestigt werden.
Zu guter Letzt folgte das Dach. Ein paar Kollegen kletterten auf die Seitenwände und arbeiteten oben weiter. Natürlich geschützt von sehr viel Sonnenmilch. Als das Dach dann endlich fertig war, folgte die Befestigung der kleinen Holztreppe, die über 3 Stufen vom lehmigen Boden in das trockene Heim führen würden.
Die gesamte Arbeit erstreckte sich über 2 volle Tage, da jeder Arbeitsschritt wirklich lange dauerte. Doch für mich persönlich war das Aushöhlen des steinharten Bodens zu Beginn am anstrengendsten.
Echt Costa-Ricanisches Essen als Stärkung
Während der zwei Tage wurden wir immer wieder von den Kochkünsten der Dame des Hauses verwöhnt. Auch das ist Teil der Abmachung zwischen „Techo“ und den Familien. Wir halfen und sie sorgten dabei für unser leibliches Wohl. Natürlich hatten wir die Zutaten mitgebracht, doch sie kochte uns immer wieder etwas Leckeres daraus – Gallo Pinto und Casado, typisch Costa-Ricanische Gerichte meistens. Lecker!! Auch frische Früchte und Kaffee waren stets mit von der Partie.
Der emotionale Abschluss
Sonntag Nachmittag, es regnete. Wie schön, dass die Familie mit ihren 7 Kindern nun endlich in ein trockenes zu Hause gehen konnte. Die älteste Tochter hatte Geburtstag, sodass wir einen Kuchen mitgebracht hatten, den wir nun mit ins Haus brachten und uns alle zusammensetzten. Wir sangen Happy Birthday und das junge Mädchen strahlte über das ganze Gesicht. Ich konnte nicht mehr, mir liefen die Tränen über meine Wangen. Es war so schön diese Familie und ihr Geburtstagskind so glücklich zu sehen. Und zum krönenden Abschluss holte der Mitarbeiter von „Techo“ auch noch eine Gitarre heraus und begann zu spielen. Perfekter hätte der Moment nicht sein können. Wir alle schauten uns ergriffen und glücklich an. Wir hatten es geschafft – das Haus der Familie war fertig und wir feierten zusammen den Geburtstag ihrer Tochter.
Das zweite Wochenende bei „Techo“ fand 1 Jahr später bei einer Familie in den Slums nahe San José statt. Auch dieses Wochenende war sehr emotional, aber nochmal ganz anders als der Besuch bei der Familie auf dem Land. Doch diese Geschichte erzähle ich in einem anderen Beitrag. Ebenso wie den Besuch bei der Familie in Orotina im folgenden Jahr zu Weihnachten.
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