Sago Herstellung: wie die Kuruwai aus der Sagopalme ihr Hauptnahrungsmittel gewinnen

Die Sago Herstellung ist ein sehr aufwendiger Prozess, der sich über einen ganzen Tag ziehen kann. Frauen als auch Männer sind an dem Prozess gleichermaßen beteiligt. Auch die Kleinsten versuchen bereits ihr Bestes, um ihren Familien bei der Sago Herstellung zu helfen. Sago ist für die Kuruwai das Hauptnahrungsmittel. Zum Glück wachsen im tiefen Dschungel West Papuas viele Sagopalmen.

Die Sagopalme: wo sie wächst und was sie so besonders macht

Die Sagopalme besteht teilweise bis zu 80 % aus Stärke. Somit bietet ihr Mark die ideale Grundlage für die Herstellung von Fladen bzw. Brot. Allerdings bedeutet dies auch gleichzeitig, dass ihr Mark nicht wirklich nahrhaft ist. Die Kuruwai essen also neben Sago auch Insekten, Schlangen oder Vögel, wenn sie sie fangen. Somit können sie ihren Haushalt an Proteinen und anderen Nährstoffen halbwegs ausgleichen. Nichtsdestotrotz ist die Ernährung der Ureinwohner West Papuas alles andere als ausgewogen. Dies lässt sich leider oft auch an den dicken Bäuchen der Kinder erkennen, die aufgrund der Mangelernährung aufgedunsen sind.

Die Sagopalme ist sicherlich auch deswegen das Hauptnahrungsmittel der Kuruwai, weil sie im Dschungel Papuas relativ häufig zu finden ist. Sie bevorzugt sumpfige Regionen und eine hohe Luftfeuchtigkeit. Beides in West Papua nicht schwer zu finden. Außerdem mag sie die Sonneneinstrahlung und hat einen hohen Lichtbedarf, sodass sie meist in offeneren Bereichen des Dschungels anzutreffen ist. Dies erleichtert die Sago Herstellung zumindest ein wenig.

Als ich die Kuruwai einen Tag lang bei der Sago Herstellung begleiten konnte, wurde mir klar, dass diese Palme für sie etwas ganz Besonderes ist. Für mich wirkte es fast so als sei sie Teil des Lebensmittelpunktes dieses uralten Volkes. Sie gewinnen nicht nur ihr Hauptnahrungsmittel daraus, sondern verwenden im Prinzip jedes einzelne Teil der Sagopalme. Dazu gehören neben dem stärkehaltigen Mark auch die Palmblätter und die langen Fasern, die sie aus den Blättern gewinnen. Sie verwenden diese Teile der Palme zur Herstellung ihrer Dächer, aber auch für die Knoten, die die einzelnen Bauteile ihrer riesigen Baumhäuser zusammenhalten. Eine faszinierende und uralte Bautradition.

Die Sago Herstellung – ein aufwendiger Prozess

Während meines Abenteuers bei den Kuruwai im Dschungel West Papuas, durfte ich an einem Tag Gast und auch helfende Hand bei der Sago Herstellung sein. Im Dorf von Baliom blieben wir zwei Nächte und die Dorfgemeinschaft war groß genug für die Sago Herstellung. Es war also der perfekte Ort um die Kuruwai bei der Herstellung ihres Hauptnahrungsmittels zu begleiten. Unsere Reisegruppe hat genug Zeit und es gab im Dorf viele helfende Hände, die bei diesem aufwendigen Prozess dringend benötigt werden.

Nach dem Frühstück machten wir uns also alle fertig für eine lange Wanderung. Marc, unser Guide, hatte bereits mit den Kuruwai gesprochen. Sie gaben ihm die Info, dass die zu fällende Sago Palme nah sei, doch Marc hatte uns bereits vorgewarnt, dass „nah“ für uns Europäer auch weit sein kann. Wegbeschreibungen und Zeitangaben von Kuruwai und uns Reisenden unterscheiden sich deutlich voneinander. Also bereiteten wir uns erneut auf einen längeren Marsch vor. Guten Mutes zogen wir also los. Es war ein lustiger Moment als wir alle feststellten, dass die Sago Palme quasi nur einige Meter vom Dorf entfernt stand. Dieses Mal traf die Bezeichnung „nah“ also eindeutig zu 🙂 Wir konnten die Baumhäuser des Dorfes noch gut sehen.

Achtung – die Palme fällt

Wir suchten uns einen guten Platz und schauten dabei zu, wie Baliom und ein weiterer älterer Mann aus dem Dorf begannen die Sago Palme mit ihren Äxten zu bearbeiten. Immer wieder schlugen sie auf die gleiche Stelle des Palmenstammes.

Wir positionierten uns derweil so, dass die Sago Palme uns beim Umfallen nicht treffen würde. Baliom und der andere Mann wechselten sich ab. Es dauerte nicht lange und die Palme war besiegt. Ihr Stamm begann zu knarzen und plötzlich viel sie um. Genau dorthin, wo es die Kuruwai-Männer haben wollten. Der Prozess hat vielleicht maximal 15 bis 20 Minuten gedauert.

Nachdem die Sago Palme auf dem Boden lag, folgte der nächste Schritt der Sago Herstellung. Bei diesem schlagen die Kuruwai-Männer mit ihren Äxten eine Schneise in die Rinde des Palmenstammes. Der Stamm der Sago Palme ist relativ weich, aber trotzdem schien dieser Teil des Prozesses viel Arbeit zu sein. Gemeinsam trennten die zwei die Rinde auf und hebelten diese mit ihren Äxten immer weiter vom Stamm weg.

Schlussendlich lag dann nur noch der halb aufgeschnittene Stamm auf dem Boden, der schon bald von den Kuruwai-Frauen bearbeitet werden sollte. Die Frauen machten sich bereit mit ihren Sago-Hammern. Währenddessen trennten Baliom und der andere Mann die Palmblätter von der Palme ab und legten das große Palmherz frei. Auch ich durfte davon ein Stück probieren. Es war super lecker und schmeckte ein wenig nach rohem Kohlrabi.

Während die Männer das Palmherz frei legten, wurde es plötzlich hektisch und lauter. Baliom hatte im Inneren der riesigen Palmblätter eine Schlange gefunden. Er fing sie und präsentierte sie uns stolz. Wir alle durften natürlich ein Foto machen. Später wurde die Schlange dann im Dorf aufgehangen.

Die Kuruwai-Frauen – unglaubliche starke und beeindruckende Persönlichkeiten

Sobald der Palmenstamm frei von Rinde ist, können die Kuruwai-Frauen mit ihrem Teil der Sago Herstellung beginnen. Sie nutzen dafür einen eigens angefertigten Sago-Hammer, mit dem sie das Mark des Baumes in kleine Flocken zerhacken. Dabei wurde mir klar, wie stark diese Frauen eigentlich sind. Bis der ganze Stamm ausgehöhlt war, dauerte es ca. 2-3 Stunden. Und trotzdem sangen sie und lachten, als wäre es das Leichteste der Welt. Ein beeindruckendes Schauspiel. Natürlich konnte auch ich es mir nicht nehmen lassen mit dem Steinhammer auf das weiche Mark einzuhauen. Wenn du einmal in deinem Leben im Dschungel West Papuas bist, dann solltest du mitnehmen, was du kannst. Denk daran, dass du diese Chance sobald vermutlich nicht mehr bekommst.

Auch die jungen Mädchen und sogar der Kleinste unter ihnen helfen dabei das gesamte Mark des Stammes klein zu bekommen. Sobald dies erledigt ist, bauen die Frauen nebenan eine Art „Waschmaschine“ für das Mark, denn daraus gewinnen sie später die Stärke aus der sie ihr Sago-Brot herstellen können.

Ich fragte mich immerzu, wie sind diese Menschen, die abseits jeglicher Moderne und Technik leben, auf die Idee gekommen, dass man aus dem Stamm der Sago-Palme Stärke gewinnen kann, wenn man ihr Mark wäscht? Einfach faszinierend. Die Frauen nahmen sich also die vorher von den Männern abgetrennten Palmblätter und bauten daraus eine Art Rinne. Oben konnten sie die Flocken des Stammes hineinwerfen und waschen. Und unten im waagerechten Teil der Rinne sammelte sich die Flüssigkeit, die später die Stärke freigeben sollte.

Nachdem ein Großteil des Marks gewaschen war, gingen wir zurück ins Dorf. Die Frauen blieben noch den ganzen Tag dort um die restlichen Flocken zu waschen und auszudrücken. Kurz vor Einbruch der Dämmerung riefen sie uns wieder zu sich. Die Stärke der ausgewaschenen Flocken hatte sich nun im Sammelbecken des Palmblattes abgesetzt und konnte abgeschöpft werden.

Diese wird später über dem offenen Feuer erhitzt, sodass eine Art Fladenbrot entsteht. Es schmeckt auch für den westlichen Gaumen ziemlich gut. Aus einem einzigen riesigen Stamm der Sago Palme gewannen die Frauen am Ende so viel Stärkemasse, dass sie ihr Dorf davon ca. 1 Woche ernähren konnten. Du kannst dir also vorstellen, wie hart sie jede Woche aufs Neue arbeiten müssen, um ihr Grundnahrungsmittel herzustellen. Wirklich starke und beeindruckende Menschen. Wir alle können uns von den Kuruwai noch eine ganze Menge abschneiden. Für mich war es eine der interessantesten Erfahrungen bei der Sago Herstellung im Dschungel West Papuas dabei zu sein. Ich kam den Menschen näher und konnte mit anfassen. Und obwohl man sich nicht verständigen konnte, arbeitete man zumindest für einen Augenblick auf das gleiche Ziel hin. Die Nahrung für den Abend.

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